Über allen Gipfeln ist Ruh

35°C. Es ist windstill, die Kiefern stehen kerzengerade, ohne sich zu regen. Durch den sonst menschenleeren Wald schlängelt sich ein buntes Grüppchen, immer wieder hört man ein Lachen, ein „Oh, schau mal!“, leise Gespräche. Bald geht es steil bergauf, die Gespräche verstummen, wir schwitzen und schnaufen in der Hitze. An meinem Fotorucksack baumelt ein großer weißer Stoffsack, darin: ein Hochzeitskleid. Der Tag ist gekommen, die erste Berghochzeit, die ich komplett geplant habe, mit Route, Ort, Uhrzeit. Aber warum nur so weit oben?, verfluche ich mich, als mir Schweißperlen über die Stirn direkt ins Auge tropfen. Hand an den Fels, noch eine Stufe hochziehen. Noch eine, und —

Alles leuchtet. Goldblau, der Himmel weit. Unten im Tal murmelt der Fluss, ein Turmfalke rauscht im Sturzflug an uns vorbei, völlig unbeeindruckt von uns, die wir einen Halbkreis bilden um das Hochzeitspaar, die sich hier die schönsten Worte zuflüstern. Schweiß trocknet, Tränen fließen. Die Sonne sinkt langsam in ihr Wipfelbett, wir sinken auf die Picknickdecke. Ja, deshalb, denke ich. Deshalb in den Bergen.