Weimars Wonne
Es ist eine schmale Gasse zwischen zwei alten Häusern. Das Tor steht offen; ich gehe über alte Gehwegsteine in den Hinterhof, in dem Biertischgarinturen und Gartenstühle aufgebaut sind. In den alten Obstbäumen hängen Wimpelketten, vor der Eingangstür zum Haus liegt ein bunter Haufen Straßenschuhe. Durch das große Fenster zum Hof kann man in die Küche schauen, und dort herrscht reges Treiben aus Tanten, Eltern, Freunde, Schwestern; ein Käsebrett wird angerichtet, Zucker karamelisiert, Salatschüsseln abgewaschen. In der Ecke ruht der Pizzateig, im Gartenstuhl döst ein Onkel. Die Septembersonne kommt und geht, bringt Wärme nach dem Regenschauer, und eine Tante winkte mich heran, mit einem schelmischen Grinsen, zeigt mir die Hochzeitstorte mit dem großen Foto aus Esspapier, eine Familientradition. Das Esspapier ist jedoch nass geworden und das Bild völlig verschwommen, aber schon erzählt mir jemand die Geschichte hinter dem Foto, „das war nämlich so“ –
Und ich muss mich so sehr zusammenreißen, denn all das fühlt sich so sehr nach Kindheit an, nach eigenen Familienfeiern, nach „kannste noch die Stühle vom Dachboden holen“, dass mein Herz fast platzt vor Wonne. Ich beobachte das Hochzeitspaar, die von Umarmung zu Umarmung gereicht werden, und ich glaube, ich fände in keinem Museum der Welt einen größeren Schatz als diesen.